OECD und G-20: Finanzminister nehmen internationale Steuergestaltung im E-Commerce ins Visier

Einige internationale E-Commerce-Unternehmen sind in jüngster Zeit durch Steuergestaltungsmodelle in die Schlagzeilen der Medien geraten. Es ist ihnen gelungen, die Gewinne aus dem Europageschäft praktisch unbesteuert in Steueroasen umzuleiten. Vor allem  Google hat in eindrucksvoller Weise demonstriert, wie man ein ohnehin schon sehr profitables Geschäftsmodell durch steuerliche Gestaltungskniffe noch schlagkräftiger machen kann. Ausweislich des Geschäftsberichts 2012 hat Google bereits 33,3 Mrd. Dollar angesammelt, die bislang keiner nennenswerten Besteuerung unterlegen haben (S. 86 des Form 10-K für 2012).

E-Commerce macht Gewinnverlagerungen aus 2 Gründen einfacher: Erstens kann das Unternehmen den ausländischen Absatzmarkt direkt über das Internet bedienen, ohne selbst  physisch im Quellenstaat präsent zu sein. Die Vertriebsfunktion lässst sich leicht in einem Staat mit guter Infrastruktur und niedrigen Steuern ansiedeln (z. B. Irland). Zweitens beruht der Unternehmenserfolg der E-Commerce-Unternehmen im Wesentlichen auf der Herstellung und Verwertung immaterieller Wirtschaftsgüter wie z. B. Software-Urheberrechten und Markenrechten. Spiel online roulette und roulette spielen online from roulette sites. Zwar lässt sich das hochqualifizierte Personal nicht einfach in eine Steueroase verfrachten, aber die rechtliche Verselbständigung des Entwicklungsprodukts als immaterielles Wirtschaftsgut erlaubt grundsätzlich die Übertragung auf eine andere Konzerngesellschaft, so dass auch dieser Wertschöpfungsfaktor letztlich mobilisiert und in einer Steueroase untergebracht werden kann.

Nachdem der frühere Google-CEO Eric Schmidt die Nichtbesteuerung der Auslandsgewinne in herausfordernder Weise öffentlich verteidigt hatte („Das nennt man Kapitalismus”, http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/google-boss-im-very-proud-of-our-tax-avoidance-scheme-8411974.html), ließ die Antwort der Politik nicht lange auf sich warten: Die G20-Finanzminister haben im Abschlusskommuniqué des Treffens vom 15. und 16. 2. 2013 ihre Absicht bekräftigt, dem internationalen Phänomen der Aushöhlung der Bemessungsgrundlagen und der Gewinnverlagerung entgegenzutreten. Und Finanzminister Schäuble hat sich zusätzlich mit einigen europäischen Finanzministern verbündet, um der „Doppel-Nichtbesteuerung” der US-Konzerne ein Ende zu bereiten (Handelsblatt-Bericht vom 16.2 2013, http://www.handelsblatt.com/politik/international/steuer-tricks-schaeuble-will-grosskonzernen-an-den-kragen/7794160.html). Die Finanzminister wollen dabei auf die Vorschläge der OECD zurückgreifen, die am 12. 2. 2013 den lange erwarteten Bericht zu „base erosion und proft shifting” vorgelegt hat („BEPS-Report”, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/beps.htm). Zwar ist es den Autoren des BEPS-Reports nicht gelungen, die vermuteten Steuerausfälle zu beziffern (S. 15). Nach Auffassung der OECD gibt es aber hinreichende Indizien dafür, dass das Körperschaftsteueraufkommen der OECD-Mitgliedsstaaten und auch der Schwellenländer durch verschiedene Gestaltungsmodelle großer internationaler Konzerne beeinträchtigt wird (z. B. durch Umlenkung von Direktinvestitionen in Steueroasen, Pinkernell: OECD und G-20: Finanzminister nehmen internationale Steuergestaltung im E-Commerce ins Visier(IStR-LB 2013, 17)

Außerdem seien Steuergerechtigkeit und Steuermoral gefährdet, was die Körperschaftsteuer insgesamt in Frage stellen könnte (S. 8).

Da sich der BEPS-Report im Wesentlichen auf die Diagnose der bestehenden Probleme beschränkt, bleiben die Therapievorschläge einem „umfassenden Aktionsplan” vorbehalten, den der Steuerausschuss der OECD im Juni beschließen soll (S. 9 f.). Der nächste Schritt ist dann die Beratung und vielleicht auch Verabschiedung konkreter Maßnahmen auf dem nächsten G20-Gipfeltreffen Anfang September 2013 (Bericht in der FAZ vom 18. 2. 2013, S. 17). Der BEPS-Report deutet allerdings schon zwei Maßnahmen an, die die OECD gegen die Gewinnverlagerung im E-Commerce ergreifen könnte. Bei der ersten Maßnahme handelt es sich um eine modifizierte Betriebsstättenbesteuerung, die dem Quellenstaat einen Anteil am Steueraufkommen aus dem Geschäft mit digitalen Produkten und online erbrachten Dienstleistungen sichert (S. 10).

Zweitens soll das bislang isoliert betriebene Verrechnungspreis-Reformvorhaben zur Zurechnung von immateriellen Wirtschaftsgütern und der damit verbundenen Einkünfte (OECD-Diskussionsentwurf „Intangibles” vom 6. 6. 2012) in den umfassenden Aktionsplan einbezogen werden (S. 10). Danach wäre die Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter zu substanzschwachen Konzerngesellschaften künftig ausgeschlossen, was Oasengestaltungen den Boden entziehen würde.

Welche Rechtsänderungen sich letztlich für die Besteuerung des E-Commerce ergeben werden, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Das Intangibles-Projekt ist zwar schon relativ weit fortgeschritten, stößt aber bei der deutschen Wirtschaft auf grundsätzliche Bedenken, wie sich u. a. aus der BDI-Stellungnahme vom 25. 9. 2012 ergibt. Und die Erweiterung des Quellenbesteuerungsrechts für Online-Geschäfte (der grenzüberschreitende Versandhandel mit physischen Waren scheint nicht betroffen) würde nicht nur die Schaffung neuer Tatbestände im nationalen Recht (Erweiterung von § 49 Abs. 1 EStG), sondern auch eine Überarbeitung der Art. 5 und 7 OECD-MA durch die OECD erfordern, gefolgt von der Neuverhandlung bestehender DBA. Gänzlich ungeklärt ist bislang, wie sich fiktive E-Commerce-Betriebsstätten mit der Gewinnabgrenzung auf der Grundlage des AOA vereinbaren lassen; die OECD verlangt hier ausreichende Substanz im Quellenstaat, die im Fall einer fiktiven Betriebsstätte gerade nicht vorhanden wäre (dies ist auch die Schwachstelle des neuen französischen Vorschlags zur Besteuerung von Nutzerdaten, s. dazu Johnston, TNI 2013 (Vol. 69), 327). Letztlich wäre auch die Kooperation der USA erforderlich, die das Auslandsgeschäft ihrer Unternehmen derzeit durch einen massiven Besteuerungsaufschub subventionieren. Vielleicht kann die Aussicht auf ein Freihandelsabkommen mit der EU die Amerikaner zum Umdenken bewegen.

Quelle: Dr. Reimar Pinkernell, LL.M., Flick Gocke Schaumburg, Bonn


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